#suspense#crime#truth#Thriller

Ein heißer Wind schleift dein Gesicht mit feinem Sand ab. Er dringt dir in alle Poren, durch die geschlossenen Lider und in den Mund, egal wie fest du die Lippen aufeinanderpresst. Du willst dich auf die Seite drehen, das Gesicht mit den Händen schützen und dich so hinlegen, wie du im Mutterleib gewesen bist: entspannt, sicher und glücklich.

Keine Chance. Deine Glieder gehorchen dir nicht. Da ist nur dieser Schmerz, der dich für jeden Versuch, dich zu bewegen, bestraft. Und was bestraft wird, muss schlecht sein, unerlaubt. Also lässt du es.

Nach einiger Zeit – du weißt nicht, ob du Stunden geschlafen hast oder ob es nur Sekunden der Bewusstlosigkeit waren – regt sich trotziger Widerstand in dir. Es muss doch möglich sein, die versandete Fresse aus dem Wind zu nehmen, verdammt noch eins! Und wieder diese Schmerzen. Doch da ist noch etwas. Eine Hand, die über deinen Körper fährt. Du willst die Augen öffnen, diese Hand sehen. Gleichzeitig erwartest du die Schläge. Eine verhüllte Gestalt, ein Tschadri, wie ihn die Frauen in Afghanistan tragen, dann eine Wasserflasche an deinen ausgedörrten Lippen. Oder ist es die bitter und rußig schmeckende Mündung eines russischen Sturmgewehrs AK47?

Er weiß, er muss wach werden, die Augen aufmachen und der Ungewissheit ein Ende setzen. Ich heiße Vincent Busch, denkt er, ich bin Stabsunteroffizier der deutschen Bundeswehr, Special Forces, Afghanistan. Ich kann meine Augen öffnen, selbst wenn ich tot bin, jederzeit und an jedem Ort. Und wenn ich dem Teufel persönlich dabei ins Gesicht blicken muss, dann soll es so sein, und wir werden sehen, wer dieses Zusammentreffen mehr bereut. Und als er seine Lider nach oben zwingt, weiß er, dass es ein verfickter Ausbilderspruch ist, der ihm die Kraft dazu gibt. Und dann wird ihm klar, dass er Angst hat. Beschissene Angst, dass er nicht mehr aus diesem Dreck herauskommt, und wenn doch, dann nur noch als Krüppel, und die Minnesota Vikings haben längst einen anderen Runningback verpflichtet. Und als Vince dann endlich wach ist, weiß er, dass er lebt, dass er zurück in Deutschland ist und es nur wieder ein böser Traum war. Und für den Bruchteil einer Sekunde will der Gedanke aufflackern, dass doch in Wirklichkeit alles gut ist, jetzt, wo er doch wach ist und es nur ein Albtraum war. Und dann ist es plötzlich ein unabänderlicher Teil dieser Wirklichkeit, dass die Vikings nicht auf ihn gewartet haben, dass er zusammengeschossen worden ist in diesem gottverfluchten Land und mehr tot als lebendig zurückgekehrt ist. Und er wundert sich, dass er nicht vor lauter Verzweiflung heult wie ein verlassenes Kind bei diesem elenden Gedanken. Und als er endlich richtig wach ist, merkt er, dass er natürlich doch heult, dass ihm der Rotz aus der Nase läuft und sein Körper geschüttelt wird von einem Weinkrampf, der nicht aufhören will, weil es keinen verdammten Grund gibt, mit dem Weinen aufzuhören.